Amazonen
Als tapferes Kriegerinnenvolk sind uns die Amazonen der griechischen Mythologie bis heute ein Begriff. Doch wer waren die Amazonen und gab es sie wirklich?
Wer waren die Amazonen?
Schenkt man den altgriechischen Geschichten und Darstellungen Glauben, waren die Amazonen ein Volk wagemutiger Kriegerinnen. In Beschreibungen und Bildern, wie sie etwa auf Vasen oder in Form von Wandgemälden erhalten sind, werden sie meist reitend und im Kampf dargestellt.
In den verschiedenen Geschichten der griechischen Mythologie werden die Amazonen einerseits als erbitterte Kämpferinnen dargestellt, die auch Athen gefährlich werden konnten. Andererseits finden sich immer wieder auch Erzählungen, in denen sie als sehr herzliche Gastgeberinnen griechischer Helden beschrieben werden.
In den Sagen ist immer wieder die Rede davon, dass die Amazonen als reines Frauenvolk gelebt haben sollen. Der griechische Geschichtsschreiber Strabon berichtet, dass die Amazonen im nördlichen Kaukasus sich während zwei Monaten im Frühling mit Männern benachbarter Stämme getroffen haben sollen, um gemeinsam Kinder zu zeugen. Die Jungen sollen sie an die benachbarten Stämme abgegeben, die Mädchen selbst aufgezogen haben. Das Reiten und Kämpfen spielte dann in der Erziehung der Mädchen eine zentrale Rolle.
Eine moderne Interpretation des Amazonenmythos kann im Superheldenfilm „Wonder Woman“ von 2017 und dessen 2020 veröffentlichter Fortsetzung „Wonder Woman 1984“ betrachtet werden. So kämpft im ersten Film die Amazone Diana Prince, die „Tochter“ der Amazonenkönigin Hippolyta (laut einer Legende soll Diana von Hippolyta aus Ton geformt und von Zeus zum Leben erweckt worden sein), gegen Ende des ersten Weltkrieg an der Seite des britischen Spion Steve Trevor gegen die Deutschen. Diana sieht in den deutschen Machenschaften die Verkörperung des Gotts des Krieges Ares. Dieser wiederum ist der Erzfeind der Amazonen, versucht er doch die ganze Menschheit samt Amazonen auszulöschen, nachdem von den Göttern nur noch Zeus übriggeblieben ist. Der Film basiert dabei auf das gleichnamige Comic, weicht allerdings in einigen Punkten davon ab. Wonderwoman selbst ist eine Comicfigur des Verlages DC Comics, die ein Teil des DC Extended Universe ist. Damit tauchen Amazonen auch in anderen Filmen basierend auf dem DC-Universum auf, wie beispielsweise Batman v Superman: Dawn of Justice.
Wo lebten die Amazonen?
In den Geschichten des alten Griechenlands werden die Amazonenvölker in unterschiedlichen Regionen verortet. Vor allem der Kaukasus und die Pontosregion am Schwarzen Meer werden immer wieder erwähnt und spielen auch bei der Erforschung historischer Vorbilder für die mythologischen Amazonenvölker eine wichtige Rolle. Doch auch Libyen, Karien und Lykien werden in den Sagen und Erzählungen als Regionen erwähnt, in denen Amazonen gelebt haben sollen.
Merkmale der Amazonen
In den griechischen Erzählungen und Mythen werden die Amazonen oft als erbitterte Feinde der griechischen Polis dargestellt. Bewaffnet mit einer Labrys oder „Amazonenaxt“ werden sie auf Sarkophagen, Vasen oder Wandgemälden als reitende Kriegerinnen dargestellt. Die Labrys ist eine kleine, leichte Doppelaxt mit zwei einander gegenüberliegenden, runden Klingen. Zusätzlich tragen die Kriegerinnen auf bildlichen Darstellungen häufig eine kleine, halbmondförmige Pelte, einen besonders leichten, flexiblen Schild. Auch bei Vergil und Plinius wird dieser Schild als „Amazonenschild“ beschrieben.
Die Darstellungen zeigen die Amazonen zudem meist in einen leichten Chiton gehüllt, der in vielen Darstellungen die rechte Brust frei lässt. Es ist unklar, ob die heute weit verbreitete Vorstellung, die Amazonen hätten sich eine Brust verstümmelt, um besser mit Pfeil und Bogen kämpfen zu können, sich von dieser Besonderheit in der Darstellung ableitet.
Aus den altgriechischen Darstellungen stammt diese Vorstellung von den ihre Töchter verstümmelnden Amazonen auf jeden Fall nicht. Sowohl in Erzählungen als auch in bildlichen Darstellungen gibt es keine Hinweise auf solche Praktiken.
Einzig eine mögliche Herleitung des Namens, nach der Amazone sich von den Worten „a mazos“ (brustlos) ableitet, kann eventuell als Hinweis darauf gelesen werden. Es gilt aber als wahrscheinlicher und wird so zum Beispiel auch in den Schriften des Sophisten Flavius Philostratos berichtet, dass das lediglich auf die Tatsache verweist, dass die Amazonen ihre Kinder nicht säugten.
Amazonen im griechischen Mythos
Die Amazonen tauchen in den Geschichten und Mythen des alten Griechenlands immer wieder auf. Oft werden sie dabei nur am Rande erwähnt, was darauf schließen lässt, dass die Geschichtsschreiber das Wissen um das Volk der Amazonen bei ihren Lesern und Zuhörern voraussetzen konnten. Auch im neben der Odyssee wohl bekanntesten Werk der altgriechischen Literatur, der Ilias, werden die Amazonen erwähnt. Namentlich berichtet Homer hier, dass der korinthische Held Bellerophon nachdem er die gefürchtete Chimäre besiegt hat, ausgesandt wird, die Amazonen zu besiegen. Eine Aufgabe, die als unmöglich dargestellt, von Bellerophon aber mit Bravour gemeistert wird.
Auch Herakles (Herkules) trifft im Laufe seiner Abenteuer auf die Amazonen. Die neunte seiner zwölf großen Aufgaben besteht darin, den Gürtel der mächtigen Amazonenkönigin Hippolyte zu rauben. Er reist ins Land der Amazonen, die ihn herzlich willkommen heißen. Hippolyte ist sogar bereit, ihm den Gürtel als Geschenk zu überlassen. Doch Hera, die in den Geschichten um Herakles oft als dessen Gegenspielerin auftritt, mischt sich unter die Amazonen und wiegelt sie gegen Herakles auf. Es kommt zu Kämpfen, während derer Herakles zahlreiche Amazonen und auch Hippolyte tötet.
Ebenfalls im Theseus-Mythos spielt Hippolyte eine zentrale Rolle. Theseus, ein mächtiger griechischer König, zieht in den Krieg gegen die Amazonen. Er entführt Hippolyte nach Athen, heiratet und zwingt sie dazu, den gemeinsamen Sohn Hippolytos auszutragen. Die Amazonen verfolgen Theseus und Hippolyte indes nach Athen und belagern die Stadt. Je nach Version der Geschichte gelingt es ihnen dort, Hippolyte zu befreien. In vielen Varianten kommt Hippolyte während der Kämpfe allerdings ums Leben.
Neben Hippolyte spielen auch viele andere Amazonenköniginnen mehr oder weniger große Rollen in den Geschichten der griechischen Mythologie. Insbesondere Hippolytes Schwestern Penthesilea, Antiope und Melanippe finde häufige Erwähnung. Häufig werden die verschiedenen Königinnen mit Heldentaten in Kriegen in Verbindung gebracht. Penthesilea etwa soll den Trojanern während des Trojanischen Kriegs zu Hilfe geeilt und von Achill erschlagen worden sein.
Die letzte namentlich erwähnte Amazonenkönigin ist Thalestris, die gegen 330 v. Chr. auf Alexander den Großen getroffen sein soll.
Amazonen als Städtegründerinnen
Weiterhin gibt es eine ganze Reihe städtischer Gründungsmythen, in denen Amazonen entscheidende Rollen zukommen. Zu den (angeblich) von Amazonen gegründeten Städten zählen beispielsweise die historischen Städte Kyme und Myrine in Aiolis und Kleite im heutigen Kalabrien. Die bis heute bestehende Stadt Sinop am Schwarzen Meer, soll nach der Amazone Sinope benannt worden sein. Auch der ursprüngliche Name Smyrna des heutigen Izmir in der Türkei soll sich von einer Amazonenkriegerin ableiten.
All diesen Geschichten ist allerdings gemein, dass sie nicht sicher überprüfbar sind. Es wird jedoch deutlich, dass die Amazonen in der griechischen Mythologie immer wieder mit der Gründung von Städten in Verbindung gebracht werden. Doch mit Blick darauf, dass die historische Existenz der Amazonen generell angezweifelt wird (siehe nächster Abschnitt), müssen auch diese Geschichten ins Reich der Legenden verwiesen werden.
Gab es die Amazonen wirklich?
Die Amazonen als klar umrissenes Volk hat es, nach allem, was man heute vermuten kann, nicht gegeben. Moderne Historikerinnen und Historiker gehen davon aus, dass die griechische Vorstellung von den Amazonen vielmehr auf den Kontakt mit Völkern zurückgeht, in denen Frauen deutlich gleichberechtigter waren als in der griechischen Gesellschaft. Insbesondere verschiedene matriarchal organisierte Volksgruppen in Kleinasien (einem Teil der heutigen Türkei) werden als Vorbilder für die Vorstellung vom kriegerischen Frauenvolk gehandelt. Auch unterschiedliche Reitervölker aus dem eurasischen und persischen Raum kommen als Vorbilder infrage.
Quellen
- Kerényi, K., & Kerényi, K. (2014). Mythologie der Griechen: Götter, Menschen und Heroen-Teil 1 und 2 in einem Band. Klett-Cotta.
- Vogt, M. (2009). Griechische Mythologie. Naumann und Göbel.
- Fornasier, J. (2007). Amazonen: Frauen, Kämpferinnen und Städtegründerinnen. Zabern.
- Roscher, W. H. (1894). Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie: Band 1. 1884–1886. BG Teubner.